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Versuch – Erfolg – Irrtum

Die Hasler-Story

«Hasler» – das war früher ein Synonym für Telefon. Angefangen als kleine Werkstatt und gewachsen zum grössten Arbeitgeber der Stadt Bern, prägte Hasler die Telekomszene in der Schweiz für Generationen. Dahinter standen zunächst Vater und Sohn Hasler, die der Unternehmung für fast 100 Jahre vorstanden. Sie entwickelten Telegraphenapparate und Telefonzentralen, setzten auf die Drahtlostechnologie und bauten «nebenbei» weltberühmte Geschwindigkeitsmesser, meteorologische Messinstrumente oder Signalanlagen. Das Erbe der Haslers wuchs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiter, die Fusion zur Ascom sollte ein Befreiungsschlag im harten Wettbewerb der Globalisierung werden. Doch es folgte der stufenweise Abstieg. Der Erfolg blieb aus, nicht aber die Spannung in der wechselvollen Geschichte.



Leseprobe

Wegen grossen Erfolgs verdächtig

In den 1850er Jahren ereignete sich in der Schweiz eine wirtschaftshistorische Kuriosität. Eine Hilfswerkstatt der Bundesverwaltung wurde zum privaten Unternehmen, weil sie zu schnell zu viel Erfolg hatte!
Die Bundesverfassung von 1848 erklärte das Postregal zur Bundessache. In den Jahren zuvor, im Gleichschritt mit der Entwicklung der Eisenbahnen und der Schifffahrtslinien, hatten viele Erfinder in Deutschland, England und Amerika fast zeitgleich Systeme für die Fernübermittlung von Textsignalen auf elektrischem Wege entwickelt.
Die Schweiz entschied sich für das Telegrafensystem des Samuel Morse. Bald zählte die Hilfswerkstatt dreissig Mitarbeiter.
Doch wann immer der Staat wirtschaftet, ist mit Überraschungen zu rechnen. Im Fall der eidgenössischen Telegrafenwerkstätte war der schnelle Erfolg manchen Politikern unheimlich, weil die Auslastung des Betriebs trotz der lebhaften Nachfrage unregelmässig blieb und diese Nachfrage vor allem aus dem Ausland kam. Der in finanziellen Dingen sehr vorsichtige Bundesrat sah dies mit Sorge und bewilligte die Lieferung von Apparaten ins Ausland, sofern darunter der normale Dienst nicht litt. Zugleich unterstellte er den Betrieb der Aufsicht des Finanzdepartements. Damit war Matthias Hipp, der erste Werkstattchef, seiner Führungsfunktionen enthoben, so dass er kündigte und sich selbstständig machte. Sein Nachfolger wurde sein Stellvertreter Gustav Adolf Hasler.
Schon 1856 unterbreiteten nicht näher bezeichnete Finanzleute dem Bundesrat ein Angebot zur Übernahme des Betriebs, das aber nicht berücksichtigt wurde. Aber Gustav Adolf Hasler hatte seine eigene Agenda. Ab 1860 geriet die Berner Werkstätte unter Konkurrenzdruck, denn nun bewarb sich auch der frühere Chef Hipp mit seinem Neuenburger Betrieb um die gleichen Aufträge. Misstrauische Volksvertreter gaben zu bedenken, dass durch die Gründung von Hipps «Fabriques de télégraphes et d’appareils électriques» (später Favag) die Daseinsberechtigung der Eidgenössischen Telegrafenwerkstätte eigentlich dahingefallen sei.


Das Parlament macht Druck

Andere Parlamentarier kritisierten, der Betrieb sei zu stark vom Ausland abhängig. 1863 berichtete die «Schweiz. Eisenbahn- und Handelszeitung», es herrsche in den eidgenössischen Münz- und Telegrafen-Werkstätten «vollständige Arbeitslosigkeit, so dass man sich mit der Idee befasst, in beiden Anstalten Gewehre und Gewehrbestandteile anfertigen zu lassen.» Das Blatt folgerte: «Unserer bescheidenen Einsicht würde es viel zweckmässiger erscheinen, der ganzen Staatsindustrie ein Ende zu machen.»
Ein Jahr darauf schlug die nationalrätliche Budgetkommission in einem Postulat vor: «Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu begutachten, ob nicht die Eidg. Telegraphenwerkstätte als Staatsanstalt aufzuheben und dieser Zweig der Verwaltung der Privatindustrie zu überlassen sei.»
Der Ständerat war dagegen, der Nationalrat dafür. Hier votierte der mächtige Alfred Escher aus Zürich für die Privatisierung, da die Werkstätte ja nur zu einem Viertel für den Bund arbeite. Trotzdem schwenkte der Nationalrat bei der zweiten Lesung um und lehnte das Postulat ab, nachdem Bundesrat Challet-Venel, inzwischen Chef des Post- und Baudepartements, eine gründliche Untersuchung versprochen hatte. Am 16. Dezember 1864 wurde das Postulat abgeschrieben.
Doch die Wege der eidgenössischen Politik waren schon damals verschlungen. Hatte Gustav Adolf Hasler inzwischen Kapital gefunden? Kam das Geld von dem neuen Teilhaber, der nun plötzlich in Erscheinung trat? Und wie hoch war der Kaufpreis überhaupt gewesen? Die Akten geben keine Antwort.


Der Bund verkauft die Telegrafenwerkstätte

Wie auch immer: Mit Wirkung ab 1. Januar 1865 ging die Eidgenössische Telegrafenwerkstätte an Gustav Adolf Hasler und an Heinrich Albert Escher (1828-1879) über. Escher verfügte über industrielle Erfahrung. 1859 wurde er zum Direktor der Eidgenössischen Münzstätte in Bern gewählt, die damals auch noch für die Briefmarken zuständig war. Deshalb waren dem Betrieb noch eine Fertigung für Briefumschläge und eine Markendruckerei angegliedert. Es gibt Hinweise darauf, dass Escher – analog zu Hipp – gestattet wurde, diesen Teilbereich auf eigene Rechnung zu betreiben.
Hasler und Escher waren kluge Köpfe. Sie garantierten ihren an Budgets gebundenen und auf Kostensicherheit bedachten Kunden in der Verwaltung für fünf Jahre unveränderte Preise. Im Gegenzug verpflichtete sich die Telegrafenverwaltung, für mindestens 20 000 Franken im Jahr Ware zu bestellen. Von der Privatisierung war im Betriebsalltag nichts zu spüren, wie im Geschäftsbericht der Telegrafenverwaltung für 1865 anerkennend betont wurde. Auch die an sich misstrauischen Politiker, die mit der Prüfung der Geschäfte vertraut waren, sahen keinen Anlass zum Eingreifen. Mit der damaligen pragmatischen Arbeitsteilung entstand der charakteristische Wesenszug der Hasler’schen Unternehmenskultur, der in den folgenden Jahrzehnten auch in der Telefonie und in der drahtlosen Nachrichtenübertragung Bestand hatte: die enge, vor allem auf persönlichen Kontakten und gemeinsamer Ausbildung beruhende Verbindung zwischen den Verantwortlichen des eidgenössischen Monopolbetriebs und seines wichtigsten Lieferanten.


Breites Sortiment als Folge des Arbeitsmangels

Aber noch immer war die Auslastung des Betriebs nicht regelmässig genug. Zeitweise herrschte Arbeitsmangel. In einem Bericht von 1879 notierte der neu eingesetzte eidgenössische Fabrikinspektor in seinem ersten Bericht: «Das Geschäft geht sehr schlecht; die meisten Arbeiten werden im Vorrath gemacht.»
Gustav Adolf Hasler begann deshalb mit dem Bau von Postfach-Anlagen und von telegrafischen Wassestandsanzeigern, die nicht nur für die Überwachung von wilden Gewässern nützlich waren, sondern auch in den Hafenanlagen der Welt zur Anzeige von Ebbe und Flut eingesetzt wurden. Sodann entstanden Geräte mit geringem Wartungsbedarf für die Langzeit-Aufzeichnung von meteorologischen Daten im Gebirge. Gustav Adolf Hasler wurde in wissenschaftlichen Kreisen ein geachteter Mann. Zugleich gewann sein Betrieb den Ruf einer ausgezeichneten Ausbildungsstätte. Die Verleihung des Ehrendoktortitels durch die Universität Bern (1875) an den erst 45jährigen Fachmann war ein viel beachtetes Zeichen der Anerkennung.


Karl Lüönd:
Versuch, Erfolg, Irrtum.
Telekomindustrie von Hasler bis Ascom
Band 116 in der Reihe «Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik» im Pioniere-Verlag, www.pioniere.ch
128 Seiten, reich bebildert, Fr. 31.––


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